Tipps der Woche

Kalenderwoche 45/2022

Doppelleben

Von Claude Alain Sulzer

Im vorliegenden Buch wird das Leben der Gebrüder Egmont und Jules Goncourt beschrieben. Besagte sind die Stifter des wichtigsten franz. Literaturpreises, dem «Prix Goncourt» und Autoren diverser Bücher, vor allem ihrer mehrere 1000 Seiten starken Tagebücher, die französische Kultur und Alltagsgeschichten zwischen 1851 und 1896 festhalten.

A.C. Sulzer beschreibt vor allem die letzten Jahre der beiden Brüder. Diese lebten unverheiratet und finanziell unabhängig zusammen wie Zwillinge. Sie lebten zusammen, teilte sich die Frauen und schrieben an ihren Tagebüchern. Sie pflegten Bekanntschaften mit den Geistesgrössen der Zeit und waren regelmässig zu Besuch bei der Cousine des Kaisers. Das ausschweifende Leben holte Jules, den jüngeren Bruder, ein. Er starb mit 39 Jahren an Syphilis.

Parallel zur Geschichte erzählt Sulzer die Geschichte von Rose, dem Dienstmädchen der Goncourts. Ein einfaches Mädchen vom Lande, naiv und von allen ausgenutzt. Das Leben meinte es nicht gut mit ihr….sie wird schwanger, das Kind stirbt und Rose wird immer haltloser. Sie beginnt zu trinken und steigt wahllos mit den Männern ins Bett.

Die beiden Goncourts merken von all dem nichts. Erst als sie ernsthaft erkrankt, kümmern sie sich um sie. Aber es ist schon zu spät.

Entsetzt über die Tragödie, die sich vor ihren Augen abspielte und über ihr eigenes Versagen, schreiben sie das Buch «Germinie Lacerteux» um damit ihrem früheren Dienstmädchen ein literarisches Denkmal zu errichten.

«Doppelleben» – dieser Titel ist doppeldeutig. Zum einen meint er das zwillingsgleiche Leben der Brüder, andererseits bezieht er sich auf das Doppelleben, das Rose vor den Brüdern geheim hielt.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen – ein intensives Leseerlebnis, das uns von vergangenem Lebe und sterben erzählt.

Bettina Bartl

am 07. November 2022

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